Rede zur Orientierungsdebatte Impfpflicht (Deutscher Bundestag, 26.01.2022)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es gibt nur einen einzigen Gegner in dieser Pandemie, und das ist das Virus. Ich bin froh, dass die allermeisten in diesem Haus und in unserem Land sich darin einig sind, und ich bin froh, dass wir jetzt diese intensive Debatte über den richtigen Weg führen, wie wir die Pandemie endlich überwinden können.

In den letzten Jahren haben wir uns sehr bemüht, jeweils situationsangepasst und maßvoll zu reagieren. Wir sind dabei zumeist mit weniger harten Einschränkungen als in den allermeisten Ländern ausgekommen, und trotzdem sind auch bei uns viele Maßnahmen mit erheblichen Belastungen, Folgeschäden und Problemen verbunden.

Mir geht es heute darum, dafür zu werben, dass wir uns angesichts einer ungewissen Zukunft konsequent für einen Weg der bewussten Vorsorge entscheiden. Aber wie kann Vorsorge in einer Zeit gelingen, in der sich der Wissensstand von Tag zu Tag erhöht und wir regelmäßig hinzulernen? Bei aller Unsicherheit und Ungenauigkeit der Vorhersage haben wir immerhin die Gewissheit, dass Impfen schützt. Und wir haben eben auch gelernt: Allein auf die Hoffnung zu setzen, dass die aktuelle Welle die letzte sein wird, ist keine gute Option.

Erinnern wir uns an den ersten Pandemieherbst, erinnern wir uns an den zweiten: Immer wieder waren wir nicht ausreichend vorbereitet, immer wieder wurde Politik das Versäumen guter Vorsorge vorgeworfen. Einen dritten unkontrollierten Pandemieherbst darf es nicht geben.

Weil die Zeit läuft und das Virus keine Rücksicht auf Unentschlossenheit, Skepsis oder gar Trotz nimmt, darum plädiere ich heute für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht für alle Erwachsenen, beschränkt auf das SARS-CoV-2-Virus, zeitlich befristet und auf drei Impfdosen begrenzt, mit freier Impfstoffwahl, und selbstverständlich muss es medizinische Ausnahmen geben.

Ja, wir hoffen alle darauf, dass wir nach der Omikron-Welle rasch in einen unbeschwerten Alltag ohne Freiheitseinschränkungen zurückkehren. Aber kein Experte kann uns heute sagen, dass die Pandemie mit Omikron weitgehend überstanden sein wird. Keiner gibt uns die Sicherheit, nicht von weiteren Virusvarianten überrascht zu werden. Diese Ungewissheit darf aber eben nicht zu Tatenlosigkeit führen. Wir können vorsorgen und damit vor die nächste Welle kommen. Dafür braucht es jetzt eine mutige Weichenstellung, und die wollen wir vornehmen.

Von Politik wird in dieser Zeit zu Recht Orientierung erwartet, und diese müssen wir mit klaren Botschaften geben. Wir werden die Lasten der Pandemiefolgen gerechter verteilen und dürfen nicht weiter die immer Gleichen belasten. Das sind vor allem die Kinder und Jugendlichen, die selbst am wenigsten gefährdet und dennoch am meisten eingeschränkt waren, und es sind die Beschäftigten in der Pflege, die für uns unverzichtbare Arbeit leisten, die seit Beginn der Pandemie besonderer Gefährdung und Belastung ausgesetzt sind und die sich jetzt durch die notwendige einrichtungsbezogene Impfpflicht noch mehr als ewige und alleinige Lastenträger fühlen.

Eine allgemeine Impfpflicht ab 18 sendet die klare Botschaft: Wir alle stehen in der Verantwortung füreinander, Gesunde für Kranke, Erwachsene für Kinder, Junge für Alte; wir alle gemeinsam stehen in der Verantwortung für die, die in unseren Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ungemein belastet sind.

Lassen Sie uns gemeinsam den Gegner bezwingen, der unser aller Gesundheit bedroht. Lassen Sie uns dem Virus geschlossen die Stirn bieten. Ich lade Sie ein, für die allgemeine Impfpflicht zu stimmen.

Vielen Dank.