Rede zur Impfpflicht (Deutscher Bundestag, 07.04.2022)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Jetzt gilt es, Farbe zu bekennen. Wer tatsächlich vorsorgen will, wer endlich ein Impfregister schaffen will, ja, wer sich zutraut, noch einmal mit einer richtigen Kraftanstrengung für das Impfen zu werben, mit einer engagierten Beratungskampagne die Impfquote auf das Niveau zu heben, das uns vor die nächste Welle bringt, der sollte heute dem Gesetz zur Pandemievorsorge zustimmen.

Es war richtig, die Diskussion über eine allgemeine Impfpflicht ausführlich hier im Bundestag, aber auch in der gesamten Gesellschaft zu führen, auf die Fachexpertise aus den verschiedensten Bereichen zu hören und in Veranstaltungen, im Gespräch oder per Mail mit vielen, vielen Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren und fraktionsübergreifend um den richtigen Weg zu ringen. Da bleibt es irritierend und befremdlich, dass sich ausgerechnet die Christdemokraten diesem politischen Prozess der Konsensbildung entzogen haben.

Herr Sorge, Sie haben vorhin gesagt: Wir reichen Ihnen die Hand zur Versöhnung. – Wir haben gar nicht gestritten, weil Sie sich der Diskussion entzogen haben. Sie wollen die Abstimmung heute aus rein parteitaktischem Kalkül zum Scheitern bringen. Das ist nicht in Ordnung; denn wer Vorsorge will, der muss vorsorgen und nicht erst dann reagieren, wenn die Infektionswelle in Sicht ist. Darum verabschieden Sie sich endlich von Ihrer Mogelpackung!

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir Brücken gebaut: eine Brücke zwischen zwei Gesetzentwürfen, eine Brücke zwischen vielen Abgeordneten, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen wollen, die Vorsorge treffen wollen, um uns vor einem dritten Pandemieherbst zu schützen.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz: Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der CDU/CSU-Fraktion?

Heike Baehrens: Ja.

Tino Sorge (CDU/CSU): Vielen Dank. – Frau Kollegin Baehrens, da Sie mich ja direkt angesprochen haben, wollte ich Sie etwas fragen: Sie erwecken ja hier wieder den Eindruck, als seien wir nicht gesprächsbereit gewesen. Ich möchte diesen Eindruck hier nicht so stehen lassen.

Sie haben signalisiert, man könnte ja noch mal darüber sprechen. Diese Gespräche haben wir seit Ende letzten Jahres angeboten. Unsere Vorschläge sind immer belächelt worden. Dann kam unser Kompromissvorschlag; auch dieser ist mehr oder weniger belächelt worden. Als Sie jetzt auf den letzten Metern mitbekommen haben, dass Sie keine Mehrheit für die allgemeine Impfpflicht bekommen, wollten Sie uns dieses – in Anführungsstrichen – „Danaergeschenk“ machen, indem Sie sagten: Na ja, wir könnten ja mal über ein Impfregister reden; das kommt dann irgendwann. – Das ist vielleicht aus Ihrer Sicht ein Gesprächsangebot. Wir aber haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir uns grundsätzlich einmal zusammensetzen müssten. Dieser Vorschlag, den wir gemacht haben, ist ja selbst von vielen Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion gutgeheißen worden. Die sagen uns ja selbst, das sei der gangbare Weg, weil Sie sich selbst nicht so sicher sind: von 18 auf 50, dann auf 60 Jahre. Sie haben Anfang der Woche einen Kompromiss verkündet in Bezug auf die Gruppe „Ü 50“. Man hat postwendend gesagt, das sei gar nicht abgesprochen worden. – Mit uns auch nicht. Ich will in Bezug auf Ihr Argument, das Sie hier immer vorbringen – der Impfvorsorgemechanismus, den wir als Union vorgeschlagen haben, sei zu spät –, nur noch einmal darauf hinweisen, dass es darum geht, dass wir reagieren können. Und: Impfvorsorgemechanismus heißt: Wir müssen die Impfzentren momentan auf Stand-by halten. Wir können – das haben wir in der Hochphase bewiesen – Millionen von Menschen innerhalb von Tagen impfen. Deshalb lautet meine Frage: Sind Sie mit mir nicht auch der Meinung, dass es darum geht, Vorsorge zu treffen – das können wir mit unserem Vorsorgemechanismus sehr schnell tun –, anstatt jetzt pauschal in Grundrechte einzugreifen, mit dem Wissen, dass das für den Herbst überhaupt nichts bringen würde?

Heike Baehrens: Zum einen will ich noch mal mit dieser Mär aufräumen, Sie seien gesprächsbereit gewesen. Es ist der Versuch unternommen worden, mit Ihnen auf ganz unterschiedlichen Ebenen – zwischen den Fraktionen, zwischen Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen – ganz konstruktiv in den Dialog zu kommen. Dieses war nicht möglich, weil Sie seit Monaten ausschließlich auf Ihren Antrag verweisen, der ja nicht mal ein Gesetzentwurf ist. Sie sind als größte Oppositionsfraktion nicht mal in der Lage, einen ordentlichen Gesetzentwurf für das vorzulegen, was Sie uns hier präsentieren wollen.

Der andere Punkt ist: Sie selbst haben eben in Ihrem Beitrag noch einmal gesagt, Sie wollen reagieren. Wir reagieren seit zwei Jahren situationsangepasst und versuchen, die Infektionswellen so klein wie möglich zu halten. Reaktion alleine reicht nicht, sondern echte Vorsorge ist gefragt.

Genau dafür liegt heute ein Gesetzentwurf zur Abstimmung vor, der ein gestuftes Vorgehen vorsieht und der vor allem zwei zentrale Punkte Ihres Antrages mit aufnimmt: Er sieht nämlich diese Umsetzung wirklich in Schritten vor und adressiert die Zielgruppe der über 60-Jährigen, die durch eine Infektion besonders gefährdet sind. Vor allem – und da habe ich den Eindruck, Sie haben den Gesetzentwurf nicht einmal gelesen –: Es ist ein ganz klarer Auftrag, das Impfregister jetzt tatsächlich auf den Weg zu bringen. Das müssten Sie eigentlich heute unterstützen.

Darum lade ich Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute noch einmal ein, für diesen Kompromiss zu stimmen; denn es ist nicht mehr zu akzeptieren, dass so viele Menschen an Corona sterben. Es darf nicht sein, dass wir noch einmal in einen Lockdown müssen. Es darf nicht mehr sein, dass Tumorpatienten auf Operationen warten müssen, dass Patienten wegen Personalausfall durch Corona nicht aufgenommen werden, dass wir alle – vor allem Familien mit Kindern oder auch alte Menschen – darunter leiden. Auch unserer Wirtschaft – auch das will ich an die CDU/CSU gerichtet sagen – sind die Pandemielasten nicht weiter zuzumuten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere noch einmal an Sie: Verlassen Sie Ihre parteipolitische Zwickmühle! Sorgen Sie jetzt mit uns vor! Stimmen Sie für unseren Gesetzentwurf.

Vielen Dank