Rede zur Einrichtungsbezogenen Impfpflicht (Deutscher Bundestag, 17.02.2022)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was für ein Schauspiel inszenieren Sie hier eigentlich, liebe Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion? Planungssicherheit und solides Handeln fordern Sie in Ihren beiden Anträgen von der Regierung. Das elektrisiert mich geradezu – das will ich Ihnen sagen –; denn Planungssicherheit und solides Handeln sind es, was der CSU-Ministerpräsident Söder ein ums andere Mal sabotiert, mal durch sein Vorpreschen, mal durch steile Ankündigungen und immer wieder durch bayerische Extravaganzen im Verlauf der Pandemie.

Und als reichte das nicht schon für unsolides Krisenmanagement, hat er nun auch noch eins draufgesetzt und mit der ganzen Union im Schlepptau geltendes Recht selbstherrlich infrage gestellt. Mit einem medialen Paukenschlag wurde das von Ihnen selbst geforderte und beschlossene Gesetz ausgebremst. Das ist weder solide noch seriös, und es schadet der so notwendigen Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Sie haben damit den Einrichtungen die Planungssicherheit, die diese eigentlich brauchen, geradezu genommen.

Was sollen eigentlich die Krankenhaus- und Pflegeheimleitungen davon halten, die seit Monaten mit ihren Beschäftigten im Gespräch sind, um sie von der Notwendigkeit einer Impfung zu überzeugen? Was sollen eigentlich die vielen Pflegefachkräfte, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hauswirtschafts-, Reinigungsdiensten oder anderen Arbeitsbereichen, in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Diensten denken, die sich haben impfen lassen, um Menschen zu schützen, die besonders gefährdet sind? Alles gar nicht so wichtig? War gar nicht so ernst gemeint? – Es beschädigt das Ansehen unseres Rechtsstaates, wenn so mir nichts, dir nichts von einem Ministerpräsidenten erklärt wird, er wolle ein Gesetz nicht umsetzen.

Nein, Herr Söder und alle, die ihm auf diesem Holzweg gefolgt sind, Sie haben hier nicht nur die Planungssicherheit beschädigt und unsolide gehandelt; Sie halten damit auch den Fortschritt bei der Pandemiebewältigung auf, und das ist unverantwortlich.

Das Gesetz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht dient zuallererst dem Ziel, besonders verletzliche Menschen zu schützen. Es wurde im Dezember von einer breiten Mehrheit hier im Bundestag und einstimmig – man erinnere sich: einstimmig – im Bundesrat beschlossen. Jetzt stehen alle Länder in der Verantwortung und ihre Verwaltungsebenen in der Pflicht, es auch umzusetzen.

Die solide Vorbereitung, die Sie mit Ihrem Antrag einfordern, läuft seit Monaten. Die Handreichung des Bundesgesundheitsministeriums wurde schon Mitte Dezember veröffentlicht, und sie wurde seitdem schon dreimal aktualisiert, anhand der Fragen, die gestellt wurden. Das Bundesgesundheitsministerium und die Gesundheitsminister der Länder sind in engem Austausch zu allen Umsetzungsfragen.

Auch die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden konkretisiert die Ausführungsbestimmungen für die Landkreise und die öffentlichen Gesundheitsdienste – also kein Grund für Panik.

Und das sei hier auch erwähnt: Es gibt sehr wohl Bundesländer, die bereits digitale Erfassungsplattformen erstellt haben, um Einrichtungen und Gesundheitsämter zu unterstützen, die Handreichungen und Erlasse vorbereitet haben, um die Umsetzung vor Ort zu erleichtern und Rechtssicherheit zu gewährleisteten. Da mutet es einfach nur bizarr an, wenn der bayerische Ministerpräsident vor die Kamera tritt und wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen verkündet: Was kümmert mich, was ich mal gefordert und selbst beschlossen habe? – Die Wirkung ist fatal, und der Scherbenhaufen lässt sich auch nicht mehr dadurch kitten, dass das Land Bayern nun doch zur verzögerten Umsetzung bereit ist. Dieser populistische Ausrutscher wird mit dem heute vorliegenden Antrag nicht geheilt. Nein, im Gegenteil: Sie versuchen mit Ihren Fragen an die falschen Adressaten, das Vertrauen in die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht weiter zu beschädigen.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz: Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage aus der CDU/CSU-Fraktion?

Heike Baehrens: Ja, gern.

Emmi Zeulner (CDU/CSU): Sehr geehrte Kollegin Baehrens, ich hätte nur eine kurze Frage, und zwar: Wenn die einrichtungsbezogene Impfpflicht kommt, mit wie viel Prozent der Pflegekräfte rechnen Sie, die den Beruf verlassen werden?

Heike Baehrens: Liebe Frau Zeulner, ich bin erst mal erschüttert, dass Sie in der vorigen Debatte gesagt haben, diese Ampelkoalition würde das Volk in Geiselhaft halten. Das, muss ich sagen, hat mich tief erschüttert, weil ich bisher angenommen habe, dass Sie zu den sachorientierten Gesundheitspolitikerinnen der CDU/CSUFraktion gehören.

Wir wissen aus anderen Ländern, die bereits eine einrichtungsbezogene Impfpflicht eingeführt haben, dass das, was bezüglich des Verlassens dieser Berufe vorhergesagt wurde, so nicht eingetreten ist. Wir wissen auch, dass es zum professionellen Selbstverständnis von Beschäftigten in diesen Arbeitsfeldern gehört, dass sie alles tun, um dem Hygieneschutz, aber vor allem auch dem Infektionsschutz zu dienen, und alles tun, um Menschen davor zu bewahren, dass sie an diesen Orten geschädigt werden. Das gehört zum Selbstverständnis dieser Einrichtungen, und das sollten wir fördern.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz: Das war jetzt die Beantwortung der Frage.

Heike Baehrens: Noch ein Satz zu der Beantwortung, bitte. – Sie haben ja vorhin auch zu dem Thema „allgemeine Impfpflicht“ Stellung genommen. Es sind gerade die großen Pflegeverbände Diakonie und Caritas, aber auch andere Pflegeeinrichtungen, die uns dringend auffordern, das Thema „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ in eine allgemeine Impfpflicht einzubetten. Dafür sollten sich alle, denen das Wohl dieses Landes am Herzen liegt, einsetzen.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wir als Ampelkoalition übernehmen Verantwortung. Aber ich sage noch mal: „Wir übernehmen Verantwortung“, das steht bei der CDU/CSU auf jeder Homepage. Diesem staatstragenden Anspruch werden Sie zurzeit nicht gerecht.