Rede zum Infektionsschutzgesetz (Deutscher Bundestag, 18.11.2021)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Millionen Menschen in unserem Land sind in Angst und Sorge. Immer mehr Menschen allen Alters infizieren sich mit dem Coronavirus, und die Zahl der Schwererkrankten steigt täglich. Die Situation in unseren Krankenhäusern und noch mehr auf den Intensivstationen ist dramatisch.

Ärztinnen und Pflegepersonal leisten schon heute an vielen Orten mehr, als ihre Kräfte hergeben. Sie gehen körperlich, seelisch und manchmal auch ethisch an ihre Grenzen.

Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wollen den dringend notwendigen Schutzmaßnahmen Ihre Stimme verweigern? Wollen Sie sich wie vorgestern im Hauptausschuss tatsächlich enthalten? Einer Ihrer Landesfürsten, der erst wenige Tage im Amt ist, droht gar damit, den Bundesrat dafür zu instrumentalisieren, die heutigen Beschlüsse zu torpedieren. Wie klein wollen Sie sich eigentlich noch machen?

Die Menschen rufen nach Hilfe und Orientierung, und Sie antworten mit parteitaktischem Geplänkel. Es war Ihr eigener Gesundheitsminister, der gefordert hat, das Rechtskonstrukt der epidemischen Lage aufzuheben, nicht weil die Pandemie besiegt wäre – nein! –, sondern weil es richtig ist, dass der Deutsche Bundestag über die notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen entscheidet, nachdem zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung geimpft sind, weil es richtig ist, dass nicht ministerielle Verordnungen regieren, sondern das gewählte Parlament zu entscheiden hat, weil es richtig ist, dass regionale und länderspezifische Maßnahmen von Landesparlamenten zu beschließen sind, wenn sie einschneidend sind. Dafür schaffen wir heute die Grundlage, indem wir einerseits wichtige, bundesweit einheitliche Maßnahmen beschließen und andererseits rechtssichere Handlungsoptionen für die Länder schaffen.

Wir erweitern den Instrumentenkasten. Wenn die zweitgrößte Fraktion dieses Hauses, die noch immer geschäftsführend in Regierungsverantwortung steht, sich hier und heute einen schlanken Fuß macht und nicht mehr zur Lösung in dieser größten Gesundheitskrise, die unser Land je erlebt hat, beiträgt, dann ist das verantwortungslos und beschämend.

Alle, die in unseren Krankenhäusern um das Leben von Menschen ringen, alle, die sich um alte und kranke Menschen in unserem Land kümmern und seit 18 Monaten alles tun, um sie vor dem Virus zu schützen und gleichzeitig eine würdevolle Pflege zu leisten, sie dürfen von uns als Politik erwarten, dass wir das in unserer Macht Stehende tun, um Infektionsgefahren abzuwenden, um Menschen zu schützen und um unser Gesundheitssystem funktionsfähig zu halten. Deshalb: Stimmen Sie heute diesen dringend notwendigen Maßnahmen zu!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.