Die Fragen stellte Jochen Weis von der Geislinger Zeitung
- Das angestrebte NPD-Verbot ist vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Wie bewerten Sie dieses Urteil?
„Zunächst einmal bin ich froh, dass das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass die NPD verfassungsfeindlich ist und auf die Abschaffung der Demokratie hinarbeitet. Damit ist klar, dass eine starke Überwachung und Kontrolle der NPD durch Verfassungsschutz und Staatsschutz gerechtfertigt ist. Dass die NPD nun aber als Partei weiterhin öffentliche Gelder nutzen kann, um unsere Demokratie und ihre Werte zu verleumden, finde ich nur schwer erträglich. Da hätte ich mir ein deutlicheres Signal gewünscht, gerade auch für uns hier im Kreis Göppingen, wo Autonome Nationalisten und Neonazis ihr Unwesen treiben.“
- In dem Urteil heißt es, ein Parteiverbot sei kein Gesinnungs- und Weltanschauungsverbot. Der NPD werden klar verfassungsfeindliche Ziele bescheinigt, die Partei sei allerdings zu klein und unbedeutend, um eine Gefahr zu sein. Werden damit nicht andere rechtsradikale Randgruppen dazu ermutigt, ungehemmt Hetze zu betreiben? Gerade die sozialen Medien bieten ja in der Vergangenheit ungeahnte Möglichkeiten, sprich: die Plattform, eine breite Masse zu erreichen. In schöne Worte verpackt lässt sich da auch der Vorwurf der Volksverhetzung umschiffen.
„Die Zuschreibung der vermeintlichen Bedeutungslosigkeit erschreckt mich. Denn eigentlich sagen wir doch immer: Wehret den Anfängen! Wie nötig das ist, konnten wir gerade sehen. Da tritt noch am Tag des Urteils ein thüringischer AfD-Abgeordneter auf und macht den selbstkritischen Umgang Deutschlands mit seiner NS-Vergangenheit verächtlich. Die AfD sieht sich scheinbar durch das gescheiterte NPD-Verbot ermuntert, sich offen weiter zu radikalisieren. Dem müssen wir als Demokraten entgegentreten. Sollten Teile der rechten Szene das Urteil als Freibrief zur Hetze – gerade in den sozialen Medien – betrachten, müssen die bisherigen Gesetze angewendet werden. Beleidung, Drohungen und Volksverhetzung können auch ohne Parteiverbot zur Anzeige gebracht werden.“
- Das Pferd von hinten aufgezäumt: Ist gerade die Bewertung als verfassungsfeindliche Partei ein Hoffnungsschimmer, ein Warnschuss, dass eines Tages der Rechtsstaat doch ernst macht und ein Parteiverbot durchsetzt – dann, wenn die NPD möglicherweise an politischem Gewicht gewinnt?
„Das Urteil kann eine Grundlage für ein Parteiverbot sein, sollte die Bedeutung der NPD wieder zunehmen. Aber unser demokratischer Rechtstaat muss das Urteil als Signal verstehen, sich gegen alle Bedrohungen auch wirklich zu wehren. Und Hetze gegen politische Verantwortungsträger, gegen Minderheiten oder Flüchtlinge gibt es nicht nur bei der NPD. Wenn wir die vorhandenen Mittel konsequent einsetzen, dann können wir auch dadurch unsere freiheitlich-demokratische Rechtsordnung schützen.“
- Kritiker von Parteiverboten argumentieren, dass man die politisch Radikalen durch ein Verbot einer ausreichenden Kontrolle durch den Staat entzieht, weil sie damit in die eher unkontrollierbaren extremistischen Gruppen abdriften. Wie stehen Sie zu dieser Sichtweise?
„Für mich ist da tatsächlich aktuell die größere Sorge, dass sich immer mehr Menschen der vermeintlichen Alternative für Deutschland anschließen und nicht merken, dass sie dort auch Feinde der Demokratie und andere radikale Gruppierungen tummeln.“