Russland, die Ukraine und der Westen

Rund 90 interessierte Gäste diskutierten am vergangenen Freitag in der Galerie Stepanek in Faurndau mit der Göppinger Bundestagsabgeordneten Heike Baehrens und dem Russlandbeauftragten der Bundesregierung Gernot Erler, MdB über die Ukrainekrise, das Verhältnis zu Russland und den Syrien-Konflikt.

Der Konflikt in der Ukraine

Gernot Erler ging zunächst auf die Entstehung des Konfliktes ein. Dieser datiere deutlich vor der Maidan-Bewegung in Kiew, die die dortige prorussische Regierung im Februar 2014 zu Fall brachte. Erler sei eine wütende Brandrede des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007 noch gut in Erinnerung, in der er zur Politik der USA, der Nato und der EU Stellung nahm. „Wenn wir uns einen Vorwurf machen müssen, dann den, dass wir die Entfremdung nicht früher erkannt haben“, so Erler. Der Weg über das geplatzte EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen, den Sturz der Regierung Janukowytsch durch die Maidan-Bewegung, die Annexion der Krim durch die Russische Föderation und der Krieg in der Ostukraine seien weitere Stufen der Eskalation gewesen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) versuche über Vermittlung und Verhandlungen, gemeinsam mit den europäischen Partnern, zu einer Lösung beizutragen. „Es führt für beide Seiten in der Ukraine kein Weg an der Einhaltung der im September 2014 und im Februar 2015 im weißrussischen Minsk getroffenen Vereinbarungen vorbei. Diese dreizehn Punkte müssen eingehalten werden. Ansonsten wird es keine Lösung geben“, ist Erler überzeugt. Sowohl auf der ukrainischen Seite als auch bei Separatisten in Lugansk und Donezk gäbe es allerdings bewaffnete Milizen die sich nur schwer kontrollieren lassen. Den vollständigen Waffenstillstand durchzuhalten sei deshalb nur mühevoll zu erreichen.

Blick ins Innere Russlands

Gernot Erler wird auch über die Fraktionsgrenzen hinweg im Bundestag als Russlandexperte geschätzt, da er sowohl gute Verbindung zur russischen Regierung als auch zu oppositionellen Kreisen hat. Deshalb konnte Erler den Zuhörern auch einen Blick auf die innerrussischen politischen Verhältnisse vermitteln, die sonst in der Berichterstattung eher zu kurz kommen. Insbesondere die Ängste der russischen Führung vor einer eigenen oder importierten demokratischen Revolution hatten sich durch die Proteste nach den russischen Parlamentswahlen 2011 verstärkt. Auf die Proteste hätte die Regierung Putin darum mit Unterdrückung und Einschüchterungen reagiert.

Putin und Syrien

Durch das russische Engagement in Syrien erhielt  das Thema des Abends eine noch größere Aktualität. „Putin geht es dabei nicht nur um die Stützung seines Verbündeten Baschar al-Assad und den Erhalt seines Marinehafens in Tartus. Putin war international seit der Ukraine-Krise isoliert und ist durch den Militäreinsatz in Syrien wieder zurück auf der internationalen Bühne“, so schätzt Erler diesen Schritt ein.

Thema sorgt für Gesprächsbedarf

Zahlreiche Nachfragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum zeigten, dass viele Menschen die neuen Spannungen zwischen Ost und West umtreiben. Einen Tag vor den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit erinnerte Heike Baehrens daran, dass auch die Überwindung der Deutschen Teilung und des letzten Ost-West-Konflikts für viele unerreichbar erschien. Dennoch wurde das Unmögliche möglich durch viele kleine Schritte zur Entspannung und durch das Aufbegehren des Volkes in der früheren DDR. „Es ist der richtige Weg, sich beharrlich und mit diplomatischen Mitteln für Verständigung einzusetzen. Das gilt im Kleinen wie im Großen“, so Baehrens.