Persönliche Erklärung zu „Hinkley Point C“

Erklärung nach §31 GO BT zur Abstimmung zum heutigen TOP 18 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: Aktiv gegen Subventionen für den Neubau von Atomkraftwerken in der EU sowie zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Subventionen für britisches Atomkraftwerk Hinkley Point C stoppen und rechtliche Schritte einlegen

Die Entscheidung der britischen Regierung zum Bau eines neuen Atomkraftwerks am Standort Hinkley Point sowie die Entscheidung der EU-Kommission die Beihilfen für diesen Bau zu genehmigen, senden ein falsches Signal aus. Auf Grund der Gefahr, die von Atomkraftwerken ausgeht, der nach wie vor ungelösten Entsorgungsfrage und der immens hohen Kosten hat die Atomenergie keine Zukunft mehr. Anstatt sich auf einen europaweiten Atomausstieg zuzubewegen, wird bei einer tatsächlichen Realisierung des Projekts Hinkley Point C, welches für eine Laufzeit von 60 Jahren geplant wird, das Atomzeitalter in Europa um viele Jahre verlängert. Viele weitere Jahre, in denen die Menschen in Großbritannien und Europa der Gefahr eines AKW-Unfalls ausgesetzt sind. Viele weitere Jahre, in denen zusätzlicher, hochstrahlender Atommüll produziert wird.

Unflexible Großkraftwerke, wie in Hinkley Point, passen auch nicht zur Systemumstellung auf eine Energieproduktion auf Basis Erneuerbarer Energien. Der Volatilität von z.B. Wind- und Sonnenenergie muss mit flexiblen Kraftwerken begegnet werden. Statt den Systemumbau durch die Förderung zukunftsträchtiger Technologien zu unterstützen, müssen die britischen Stromkunden und Steuerzahler mit Milliardensummen eine Technologie fördern, die es in sechs Jahrzehnten nicht geschafft hat, ohne Subventionen so profitabel zu sein, dass sie sich frei am Markt finanzieren lässt. Während die Vergütungssätze der Erneuerbaren Energien degressiv sind, diese also immer günstiger werden, garantiert der so genannten Contract for Difference den Betreibern von Hinkley Point C beispielsweise eine höhere Vergütung als hierzulande aktuell Strom aus Windkrafträdern. Dieser über 35 Jahre (!) garantierte Atomstrompreis ist aber nicht degressiv, sondern soll sich inflationsbedingt sogar noch erhöhen. Zudem gibt die britische Regierung dem Betreiberkonsortium eine Kreditgarantie über 22 Milliarden Euro und garantiert Ausfallzahlungen, sollten sich durch politische Entscheidungen Rahmenbedingungen für die Atomenergieproduktion verschlechtern.

Im Gegensatz zur Förderung der Erneuerbaren Energien richtet sich die geplante Unterstützung auch nicht an eine Vielzahl konkurrierender Anbieter, sondern an einen einzigen Betreiber. Diese einseitige Atomenergieförderung wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach Nachteile für Erneuerbare Energien-Anbieter nicht nur in Großbritannien, sondern auch in anderen EU-Ländern haben, vor allem wenn die Stromtrassen zwischen England und Resteuropa ausgebaut werden. Schließlich kann der in Hinkley Point C produzierte Strom durch die hohe Förderung besonders günstig angeboten werden und sogar bei negativen Marktpreisen Gewinne erzielen.

Zu bedenken ist weiterhin, dass andere EU-Länder, die den Bau von Atomkraftwerken planen oder in Erwägung ziehen, von der Entscheidung der EU-Kommission eher in ihrem Vorhaben bestärkt als abgeschreckt werden. Hinkley Point C kann so zum Präzedenzfall werden. Die beiden weiteren schon im Bau befindlichen AKW-Projekte in Finnland und Frankreich haben auf Grund der Vielzahl der Probleme (z.B. beim Reaktordruckbehälter im französischen Flamanville), der ausufernden Kosten und der sich immer weiter nach hinten verschiebenden Inbetriebnahme sicher keinen starken Anreizcharakter.

Auf Grund der aufgeführten Argumente und meines langjährigen Engagements gegen Kernenergie bin ich ausdrücklich gegen den Reaktorneubau Hinkley Point C. Daher habe ich Verständnis für die Motivation, die hinter den Anträgen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht. Beide wollen damit versuchen, das Projekt doch noch zu verhindern. Allerdings muss an dieser Stelle auch gesagt werden, dass die heutige Abstimmung im Deutschen Bundestag nicht über die Realisierung oder Nichtrealisierung von Hinkley Point C entscheidet. Auch eine Entscheidung für eine Klage ändert nichts an dem Vorhaben.

Es ist auch nicht eindeutig klar, wie die Aussicht auf Erfolg bei einer Nichtigkeitsklage ist und welche Folgen eine solche Klage für das weitere Handeln der EU bezüglich der deutschen Erneuerbare Energien Förderung haben wird. Die Experten der Anhörung im Wirtschaftsausschuss kamen hier nicht zu einer eindeutigen Meinung. Die Kommission hat bei Beihilferechtsfragen schließlich einen großen Ermessensspielraum. Eine Klageniederlage würde die Präzedenzwirkung der Kommissionsentscheidung noch weiter festigen.

Viel wichtiger als den beihilferechtliche Klageweg gegen ein AKW-Projekt anzustrengen, ist es, sich auf politischer Ebene innerhalb der EU gezielt für einen europäischen Atomausstieg zu engagieren, d.h. EU-Partner zu überzeugen, dass Atomenergie keine Zukunft hat.

Aus diesen Gründen enthalte ich mich bei der Abstimmung.

Heike Baehrens, MdB